Die Gefahr der kurzen Kicks

6/26/20245 min read

Swipe. Swipe. Swipe.

Tap. Like. Weiter.

Swipe. Swipe. Swipe.

10 Minuten. 20 Minuten. Halbe Stunde. Stunde.

Am Ende sind es Stunden aus Fragmenten kurzer Minuten.

Wenige Minuten. Kurze Clips. Leckere Snacks für unser Belohnungssystem.

Swipe. Swipe. Swipe.

Klick. Klick. Klick.

Mit jedem Klick ein Kick.

Hallo, Dopamin. Lieben wir!

Lass nur keine Langeweile aufkommen! Wie unerträglich wäre das? Also weiter!

Swipe. Swipe. Swipe.

Kick. Kick. Kick.

Kommt dir das bekannt vor?

Aktuell bemerke ich es immer deutlicher. Diese innere Unruhe. Ich möchte es mir abgewöhnen, abends das ewige Klicken und Swipen auf dem Handy - und doch ist es so einfach und verlockend. Man kann sich ganz entspannt in die Sphären der sozialen Medien beamen. Einmal Dopamindusche für das Gehirn, bitte.

Dass das nicht ganz so optimal ist, da sind wir uns einig, denke ich. Aber was ist die Alternative? Wenn ich bewusst darauf verzichte bemerke ich diese Sucht nach dem Kick noch immer. Es ist eine innerliche Unruhe. Eine ewiges gedankliches Kreisen. Ich krame ein Buch raus und lese drei Zeilen. Ich packe es wieder weg. Ich hole meinen Zeichenblock und einen Stift heraus und kritzele ein paar Linien. Ich packe es wieder weg. Ich nehme mir ein Kreuzworträtsel und löse drei Wörter. Ich packe es wieder weg. Stehe auf, setze mich wieder hin. Laufe zum Kühlschrank und hole mir einen Snack, der mich am Ende doch auch nicht befriedigt.

Das ist es immer. Das Gehirn auf der Suche nach dem Kick.

Wann hatten wir das letzte Mal wirkliche innere Ruhe? Wann haben wir uns das letzte Mal wirklich intensiv mit etwas beschäftigt? Sind in der Konzentration und dem Thema völlig aufgegangen. Mit ganzer innerer Hingabe! Geben wir es zu: Diese Momente werden immer weniger.

Wir sollten uns auf eine andere Suche begeben. Statt der Suche dem Kick, die Suche nach dem Flow. Die Suche nach der Serotonindusche durch ehrliche innere Leidenschaft. Durch tiefe innere Befriedigung. Statt Dopamin, Aktivität, Wachsamkeit, Alarm, eher mal Ruhe, Entspannung, Kreativität und Ausgeglichenheit. Und diese letzten Qualitäten entsprechen Acetylcholin, Serotonin oder auch GABA - weitere Neurotransmitter, die ebenso wie Dopamin, alle ihre Wichtigkeit besitzen.

Das Thema der Neurotransmitter ist ein interessantes Feld, was sicherlich an der ein oder anderen Stelle noch einmal seinen Raum finden wird. Nur so viel sei hier gesagt: Wir leben definitiv in einer Welt des Dopamin-Überschusses. Immer in Aktion. Immer Energie. Immer wachsam. Immer am hustlen, arbeiten und denken. Immer am Probleme machen, erkennen und lösen. Immer in unserer männlichen Energie. Immer im Yang. Nicht mehr im Gleichgewicht. (Auch der Themen der männlichen und weiblichen Energie oder des Yin und Yang-Prinzipes bedarf es an anderer Stelle noch einmal der gebührenden Erklärung).

Nicht mehr im Gleichgewicht. Zuviel des Guten. Das gilt unbedingt und in jedem Fall für das Dopamin.

Morbus Parkinson ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Allein in Deutschland sind ca. 400.000 Menschen betroffen. Es besteht wissenschaftlicher Konsens, dass die Zahl weltweit weiter zunehmen wird [1, 2]

Kein Wunder, dass bei dem Dopamin-Verbrauch heutzutage die Erkrankung des chronischen Dopaminmangels zunimmt. Parkinson: Eine Erkrankung bedingt durch die Degeneration des dopaminproduzierenden Gehirnareals, der Substantia Nigra. Eine Degeneration durch übermäßige Beanspruchung? Ich würde jedenfalls auch irgendwann die Arbeit einstellen, wenn ich den ganzen Tag angeschrien würde immer mehr und immer schneller nachzuproduzieren. Erschöpfung vorprogrammiert.

Ja, wir brauchen Dopamin, um in Aktion zu treten. Wir brauchen es um Antrieb aufzubringen und Dinge umzusetzen. Wir brauchen es für die Belohnung nach getaner Arbeit, als Motivator für das Kommende. Wir brauchen es, um in Gang und am Ball zu bleiben. Aber was, wenn wir unser Pulver verschießen? Wenn wir ständig am Feuern und die Magazine leer sind. Wenn wir keine Zeit zum Nachladen lassen? Kein Feuer. Kein Antrieb. Nur noch Erschöpfung. Und dann? Brauchen wir immer mehr externe Kicks, um wieder auf die Beine zu kommen.

Und sieht so nicht größtenteils unser Leben aus? Wir schälen uns völlig übermüdet aus den Betten, keine Lust auf gar nichts. Wir schleppen uns zum Handy und kicken uns mit ein paar ersten Swipes und Klicks wach. Wir quälen uns auf die Arbeit und während wir mit trüben Augen auf den Bildschirm starren, lauert das Handy schon in Griffnähe, um uns mit ein paar kurzen Dopaminsnacks arbeitsfähig zu halten. Wenn das Handy nicht ausreicht, dann tut es doch mindestens der Süßigkeitensnack aus der großen Sammelschale im Büro oder spätestens das viel zu kohlenhydratlastige Mittagessen. Dass wir danach in ein noch viel größeres Mittagstief fallen versuchen wir zu ignorieren. Der Arbeitstag ist dann bald geschafft und der Fernseher und der Abendsnack auf der Couch als Belohnung für den anstrengenden Tag warten bereits.

Am Ende des Tages wünschen wir uns doch nichts mehr, als unser Nervensystem noch einmal durch eine Extraportion Dopamin schön durchkraulen zu lassen. Dass wir den ganzen Tag bereits haufenweise davon produzieren mussten und wir eigentlich jetzt etwas anderes bräuchten - diese Information können wir kaum mehr abrufen. Wir sehnen uns nur noch nach dem einfachen und schnellen Weg. Dopamin. Betäuben. Fertig.

Was bräuchten wir stattdessen?

In unserer heutigen Welt voller Aktion und Reizüberflutung en masse bräuchten wir mal ein Weniger-ist-mehr. Alle Welt spricht von Detox-Kuren. Was wir brauchen ist eine Detox-Kur für unser Nervensystem - ein Dopamin-Detox!

Ein "Dopamin-Detox" ist ein bewusster Versuch, die Stimulation des Dopaminsystems zu minimieren, um den Körper und Geist zu "resetten" und sich von süchtig machenden Verhaltensweisen zu entwöhnen. Hier sind einige Schritte für einen Dopamin-Detox

Kickstart für dein Dopamin-Detox:

7 Schritte, um Dein Gehirn neu zu starten und ins Gleichgewicht zu bringen

  1. Digital Detox Delight Verabschiede dich von Bildschirmzeit! Mach eine Pause von sozialen Medien, Videospielen und Binge-Watching, um deinem Gehirn eine Erholung zu gönnen.

  2. Achtsame Momente Umfasse Achtsamkeit und Meditation. Diese Praktiken helfen dir, dich wieder mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden und das ständige Verlangen nach sofortiger Befriedigung zu reduzieren. Und keine Sorge: Das erfordert keine buddhistische Askese oder jahrzehntelange Praxis. Schon wenige Sekunden des bewussten Atmens und der Konzentration auf deinen Atem und das einfache Sein sind Meditation und echter Balsam für dein Nervensystem!

  3. Natur als Nährstoff Geh nach draußen und genieße die Ruhe der Natur. Spaziere, wandere oder setze dich einfach in einen Park, um deinen Geist zu erfrischen und deine Stimmung auf natürliche Weise zu heben.

  4. Die Macht der wahren Pausen Praktiziere bewusste Pausen. Plane Zeit in deinem Tag ein, um absolut nichts zu tun – kein Handy, keine Ablenkungen. Einfach nur atmen und sein.

  5. Freude durch Bewegung Engagiere dich in körperlichen Aktivitäten. Trainiere, tanze oder treibe Sport, um Endorphine freizusetzen und deine Stimmung ohne digitale Reize zu heben.

  6. Kreative Verbindungen Tauche in kreative Hobbys ein. Male, schreibe, spiele ein Instrument oder bastle etwas mit deinen Händen, um dein Gehirn auf neue, erfüllende Weise zu stimulieren.

  7. Seelenvolles Sozialisieren Habe echte, persönliche Interaktionen. Verbinde dich mit Freunden und Familie im echten Leben und fördere tiefere und bedeutungsvollere Beziehungen.

Nutze diese Tipps, um die Dopaminflut in deinem Nervensystem zu entgiften und die Freude an der Einfachheit und Schönheit des Lebens und Fokus sowie echtes Interesse an deinen Aktivitäten wiederzuentdecken.

Dein Gehirn wird es dir danken!

Deine Nina

  1. Dorsey ER, Elbaz A, Nichols E et al. (2018) Global, regional, and national burden of Parkinson’s disease, 1990– 2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet Neurology 17:939-953. https://doi.org/10.1016/S1474-4422(18)30295-3

  1. Dorsey ER, Sherer T, Okun MS et al. (2018) The Emerging Evidence of the Parkinson Pandemic. J Parkinsons Dis 8:3-8. https://doi.org/10.3233/JPD-1814740